Auf Arbeitgeber warten stürmische Zeiten, denn die Herausforderungen mit Blick auf den Arbeitsmarkt nehmen deutlich zu. Arbeitsmarktexperte Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft schildert in diesem Beitrag, welche arbeitsmarkt- und personalpolitischen Veränderungen auf Sie zukommen und gibt abschließend eine klare Handlungsempfehlung, was Sie tun müssen, um in Zeiten des Wandels wettbewerbsfähig zu bleiben.
Vorläufige Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit signalisieren: Noch nie standen so viele Menschen in Lohn und Brot bzw. im Arbeitsleben wie heute. Nur die Zahl der Selbstständigen ist auf dem Rückzug – diese Entwicklung setzte aber bereits lange vor der Covid-19-Krise ein. Der Bestand an offenen Stellen ist weiterhin außerordentlich hoch. Der Zugang hat sich zwar jüngst leicht abgeschwächt, bleibt aber weiterhin deutlich über dem Niveau von 2020. Die Dauer, bis eine Stelle wieder besetzt worden ist, wird immer länger. Mit durchschnittlich mehr als 150 Tagen mussten die Unternehmen in diesem Oktober so lange auf eine Besetzung warten wie noch nie. Es ist daher keine Überraschung, dass die große Mehrheit der Betriebe weiterhin von Stellenbesetzungsproblemen berichtet.
Die Spuren der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt sind damit weitgehend verschwunden. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat bislang noch keine tiefen Dellen auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen, wenn man einmal im Kern davon absieht, dass die Integration der aus der Ukraine geflüchteten Menschen in die hiesige Beschäftigtenstatistik zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hat. Der Arbeitsmarkt befindet sich in einem robusten Zustand. Das ist die Ausgangslage, aus der in den kommenden Monaten die deutsche Wirtschaft in die Rezession schliddern wird. Bei allen derzeitigen Unabwägbarkeiten bleiben die Prognosen für den Arbeitsmarkt 2023 dennoch verhalten optimistisch. Es wird erwartet, dass die Unternehmen vor dem Hintergrund von Fachkräfteengpässen Beschäftigungsverhältnisse aufrechterhalten wollen und bei Bedarf auf das arbeitsmarktpolitische Instrument Kurzarbeit hoffen dürfen.
Was zur kurzfristigen Beruhigung der arbeitsmarktpolitischen Wetterlage in unsicheren Zeiten beiträgt, entwickelt sich mittel- bis langfristig zu einer bedrohlichen Orkanfront. Durch den Übergang der Babyboomer in den Ruhestand verwandeln sich heutige Fachkräfteengpässe in eine allgemeine Arbeitskräfteknappheit. Hier nur kurz der Hinweis auf zwei heute bereits bekannte Zahlen: Im Jahr 2020 standen den allein gut 8,9 Millionen Erwerbstätigen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren nur gut 8,4 Millionen 15- bis 24-Jährige gegenüber. Die Größe der jungen Generation wird selbst bei einer 100-prozentigen Erwerbsbeteiligung nicht mehr ausreichen, um die Lücken in der Erwerbsbevölkerung zu füllen, die die Älteren mit dem Eintritt in ihren Ruhestand reißen werden. Aktuelle Prognosen gehen daher von einem massiven Rückgang beim Arbeitsangebot aus. Das erwartete Ausmaß des Sturmtiefs hängt von den Annahmen über die künftige Erwerbsbeteiligung und Netto-Zuwanderung ab, mit einem sechsstelligen Rückgang sollte allerdings gerechnet werden. Die Unternehmen müssen sich also dauerhaft auf eine Situation der Arbeitskräfteknappheit einstellen. Die Folgen sind:
Der Wettbewerb am Arbeitsmarkt um Bewerberinnen und Bewerber wird intensiver – nicht nur um Fachkräfte. Als erste Konsequenz müssen Unternehmen daher mit einem Anstieg in den relativen Preisen für den Produktionsfaktor Arbeit rechnen. Hinzu kommt, dass derzeit die sozialen Sicherungssysteme, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, alles andere als demografie- oder, um im obigen Bild zu bleiben, wetterfest sind. Ohne Reformen werden langfristig die Arbeitskosten zusätzlich ansteigen, weil die Sozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte und Unternehmen erhöht werden müssen. Versucht die Politik hingegen, Finanzierungslücken noch mehr über den staatlichen Haushalt zu stopfen, wie es bereits heute schon in erheblichem Umfang passiert, erzeugt sie über eine höhere Steuerbelastung für erheblichen Druck auf künftige Tarifrunden, weil eine Querfinanzierung aus Steuermitteln am Ende zu sinkenden Nettolöhnen führt. Wie beides mit einer im Trend rückläufigen Produktivität zu vereinbaren ist, bleibt abzuwarten. Nicht jedem Unternehmen ist die Verlagerung an einen Standort im Ausland als Ausweichoption möglich.
Viele Unternehmen stellen sich zweitens die Frage, wie sie die digitale und/oder ökologische Transformation bewältigen wollen, wenn ihnen die Fachkräfte mit den erforderlichen Kompetenzen fehlen. Schon heute scheitert vielerorts die Initiierung und Umsetzung von Veränderungsprozessen an einem Mangel an Know-how. Künftig wird es für einen einzelnen Betrieb noch schwerer, die gewünschten Fachkräfte auf dem externen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die erfolgreiche Transformation hängt dann mehr und mehr davon ab, ob die vorhandenen Belegschaften adäquat qualifiziert werden. Die große personalpolitische Herausforderung ist dabei nicht nur die Frage, welche Kompetenzen und Fertigkeiten denn zukünftig beherrscht werden müssen – eine Frage, die zunächst trivial klingt, vielen Unternehmen aber noch schwerfällt, sie zu beantworten. Noch herausfordernder wird es sein, in großem Umfang die Kompetenzen und das Wissen bei älteren Beschäftigten mit einer langen Erwerbsbiografie weiterzuentwickeln. Andere Arbeitskräfte werden für viele Betriebe nicht verfügbar sein. Nun sind Ältere nicht per se weniger fähig oder bereit zu lernen als Jüngere. Wo aber in der Vergangenheit in der Personalentwicklung weniger darauf geachtet worden ist, dass die Beschäftigten kontinuierlich ihre Kompetenzen und ihr Wissen auf dem aktuellen Stand halten und im Lauf ihrer Erwerbsbiografie gewöhnt bleiben zu lernen, ist das Risiko groß, dass Qualifizierungsfähigkeit und/oder -bereitschaft hinter dem gewünschten Maß zurückbleiben.
Drittens werden operative Personalarbeit und Führung herausfordernder. Zukünftig können die Beschäftigten aufgrund veränderter Knappheitsverhältnisse selbstbewusster ihre unterschiedlichen und im Zeitablauf dynamischen Präferenzen und Anforderungen an Arbeit den Unternehmen gegenüber adressieren. Dies gilt zum Beispiel für Fragen der Arbeitsorganisation wie Homeoffice, 4-Tage-Woche und Co. gleichermaßen wie für Aspekte der Karriereentwicklung, Führung und sonstige Formen des Leistungsmanagements. Wo sie dies in geringerem Ausmaß vorzufinden glauben, drohen die Bewerberinnen und Bewerber wegzubleiben oder die Beschäftigten ein existierendes Arbeitsverhältnis zugunsten eines neuen Arbeitgebers zu kündigen. Führungskräfte und Geschäftsführungen stehen vor der schwierigen Frage, wie sie individuellen Wünschen nachkommen können, ohne die Balance zu den betrieblichen Notwendigkeiten und/oder das Gerechtigkeitsempfinden innerhalb der Belegschaften zu gefährden.
Was sind die Optionen? Nichts zu tun und zu hoffen, dass der Sturm vorüberzieht, wohl nicht. Besser ist es, sich auf den demografischen Wandel am Arbeitsmarkt vorzubereiten und das Personalmanagement bereits heute auf das veränderte Umfeld in naher Zukunft auszurichten. Dann wird das Ausmaß der Wetterschäden auch gering bleiben.
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