Das österreichische Unternehmen Tele Haase arbeitet ohne Chefs, dafür mit viel Input von außen. Warum sich das Unternehmen für diesen Weg entschieden hat und wie das funktionieren kann, darüber schreibt der „Regisseur“ des Unternehmens, Markus Stelzmann.
Den meisten Unternehmen fällt es immer noch schwer, Unternehmensgrenzen abzubauen und sich ganz bewusst in die Karten schauen zu lassen. Dabei ist Transparenz nach innen und außen nicht nur eine große Chance, die Organisationskultur positiv zu verändern, sondern auch ein fruchtbarer Boden für neue Geschäftsmodelle. Und die brauchen wir dringend. Denn, althergebrachte Produkte werden gerade reihenweise durch stark wachsende digitale Innovationen abgelöst und im Zuge von Disruption brechen ganze Märkte einfach weg. Oft bleiben dann ratlose Unternehmer zurück, denen für Geschäftsmodelle eines neuen Zeitalters schlichtweg die Fantasie fehlt.
Dabei wäre es so einfach: Offenheit schafft Vertrauen und macht neugierig. Schließlich haben Unternehmen, die nichts zu verbergen haben, die packenderen Geschichten zu erzählen. Denn, wenn wir ehrlich sind: Wen interessiert die fünfzigste, hochglanzpolierte Erfolgsstory? Wäre es nicht viel spannender, zu erfahren, welche Hürden ein Unternehmen auf seinem Weg zu bewältigen hatte und wie sie überwunden hat? Nur so können wir voneinander lernen und uns gegenseitig ein Stück voranbringen. Interessierte Unternehmer und damit potenzielle Kunden kommen dann oftmals ganz von selbst und erwarten nicht nur Service sondern bringen sich auch noch freiwillig in den Prozess ein. Auf diese Weise entstehen neue Ideen und Co-Creation auf Augenhöhe führt zu Projekten in tragfähigen Kooperationen.
Wie das funktionieren kann zeigt das Technologie-Unternehmen TELE Haase. Seit mehr als 50 Jahren entwickelt und produziert der Familienbetrieb mit knapp 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Relais und Überwachungselektronik am Standort Wien. Das mag konservativ klingen, aber, genau hier haben ein paar Vordenker schon früh erkannt, dass in Industrie und Wirtschaft künftig kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Deshalb hat sich das Unternehmen bereits 2012 unter dem Motto „Simply Open“ radikal geöffnet. Jeder und jede kann TELE besuchen und sich ansehen, wie hier gearbeitet wird. Das Spannende dabei? Seit damals ist TELE Haase auch mit einer neuen, demokratischen Organisationsstruktur ohne Chefs unterwegs. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen initiieren Projekte eigenverantwortlich und arbeiten prozessorientiert in Teams. „New Work“ ist hier schon lange kein Experiment mehr, sondern schlicht Alltag.
Neues Arbeiten sollte jedoch nicht an den Unternehmensgrenzen enden. Mit Unterstützung des FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) hat das Unternehmen deshalb 2017 den Factory Hub Vienna ins Leben gerufen und beherbergt seitdem gleich mehrere innovative Startups im Haus. Die jungen Wilden finden bei TELE nicht nur einen Büroarbeitsplatz, sondern auch gut ausgestattete Elektronikentwickler-Desks. Was darüber hinaus für beide Seiten besonders spannend ist: TELE hat eine topausgestattete Elektronikfertigung im Haus und bietet die Möglichkeit, die Prototypen von Startups und Unternehmen zur Serienreife zu führen und im Haus in kleinen und mittleren Stückzahlen zu produzieren – Industrialisierungscoaching inklusive.
Dabei prallen dann oftmals verschiedene Welten aufeinander: Traditionelle Prozesse treffen auf unkonventionelle Ideen, umfangreiche Planung auf kurzfristige Intervention. Auf diese Weise lernen beide Seiten voneinander, es wird gelacht und diskutiert, und rauchende Köpfe finden unkonventionelle Lösungen. So profitieren nicht nur die Startups von der Unterstützung durch die TELE-Spezialisten; die Zusammenarbeit mit den Startups ist auch für TELE profitabel und beeinflusst sogar die Strategie nachhaltig. Künftig werden nicht nur Startups bei TELE produzieren. Die Elektronikfertigung bietet ab dem neuen Jahr auch etablierten Unternehmen ein umfangreiches Paket, bei dem Kunden von der Produktidee über das Prototyping und die Elektronikentwicklung bis hin zu Produktion und Tests alle Services in Anspruch nehmen können.
Was wir bei TELE auf unserem Weg gelernt haben: Menschen wollen etwas bewegen und ihrer Arbeit einen Sinn geben. Das funktioniert besonders gut gemeinsam, in einem offenen Klima des gegenseitigen Vertrauens.
In der heutige Unternehmenskultur ist dafür leider oft kein Platz, und Veränderung ist nicht immer leicht. Vorbilder können hier helfen, den tiefgreifenden Wandel zu beginnen. Deshalb unterstützen wir bei TELE jetzt auch andere auf ihrem Weg. Aus unseren täglichen Gesprächen mit Unternehmen, Startups und Bildungseinrichtungen haben wir dafür den „Organisation Playground“ entwickelt. Der Playground ist eine Community von Visionären und Unternehmen, die sich verändern möchten, mit dem Ziel, das Spielfeld der neuen Arbeitswelt aktiv zu gestalten. So begleitet der Playground beispielsweise die Stadt Wien sowie deutsche Unternehmen aus der Flug- und Rettungsbranche in ihrem Veränderungsprozess, hin zu mehr Agilität. Außerdem entsteht gerade ein „Challenger-Netzwerk“ von New-Work-Vorreiter-Unternehmen, die anderen Unternehmen Einblick in ihr Tun geben. So können alle voneinander lernen und gemeinsam eine neue Arbeitswelt schaffen.
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